Urlaub im Allgäu
Rückengesund wandern im Allgäu: Übungen vor und nach der Tour
Das Allgäu mit seinen sanften Hügeln und schroffen Gipfeln lockt Wanderer aus ganz Deutschland. Doch viele unterschätzen die Belastung für den Rücken – besonders bei längeren Touren mit schwerem Rucksack oder steilen Abstiegen. Am nächsten Morgen meldet sich dann die Lendenwirbelsäule, und aus der geplanten Mehrtagestour wird eine schmerzhafte Angelegenheit.
Dabei lässt sich mit der richtigen Vorbereitung und gezielten Übungen vieles verhindern. Wer seinen Rücken vor und nach der Wanderung richtig behandelt, kommt entspannter ans Ziel und kann die Bergwelt ohne Reue genießen.
Warum gerade beim Wandern der Rücken leidet
Wandern gilt als gesunde Sportart – zu Recht. Aber die einseitige Belastung durch schwere Rucksäcke, lange Aufstiege und vor allem die ruppigen Abstiege fordern ihren Tribut. Bei jedem Schritt bergab wirkt das Dreifache des Körpergewichts auf die Bandscheiben. Ein 75-Kilo-Wanderer belastet seine Wirbelsäule also mit 225 Kilo – und das hunderte Male während eines Abstiegs vom Nebelhorn oder der Höfats.
Dazu kommt: Viele haben im Alltag schon Rückenprobleme, oft durch Büroarbeit und Bewegungsmangel. Eine 52-jährige Wanderin aus Augsburg berichtete, dass sie nach einer Tour zur Kemptener Hütte drei Tage kaum aus dem Bett kam. Erst nach gezielten Behandlungen bei der Physiotherapie privat in München und einem angepassten Übungsprogramm konnte sie wieder schmerzfrei wandern.
Die gute Nachricht: Mit einfachen Übungen lässt sich die Rückenmuskulatur stärken und die Wirbelsäule entlasten. Zehn Minuten vor der Tour und 15 Minuten danach machen oft den entscheidenden Unterschied.
Aufwärmen: Die fünf wichtigsten Übungen vorm Start
Direkt aus dem Auto auf den Wanderweg – das rächt sich. Die Muskulatur ist kalt, die Bandscheiben noch nicht durchblutet, die Bänder steif. Fünf Minuten Aufwärmzeit am Parkplatz reichen aus.
Beckenschaukeln im Stand: Füße hüftbreit, Knie leicht gebeugt. Das Becken langsam nach vorne kippen (Hohlkreuz), dann nach hinten (Rundrücken). 15 Wiederholungen lockern die Lendenwirbelsäule. Sieht etwas albern aus, funktioniert aber.
Seitliche Dehnung: Ein Arm geht über den Kopf, der Oberkörper neigt sich zur Gegenseite. 20 Sekunden halten, dann Seite wechseln. Das lockert die seitliche Rumpfmuskulatur, die beim Wandern mit Rucksack besonders gefordert ist.
Ausfallschritte mit Rotation: Einen großen Schritt nach vorne, vorderes Knie im 90-Grad-Winkel. Den Oberkörper zur vorderen Seite drehen, Arme waagerecht ausstrecken. Mobilisiert Hüfte und Brustwirbelsäule gleichzeitig. Je Seite 8 Wiederholungen.
Katze-Kuh im Stehen: Hände auf die Knie stützen, Rücken rund machen (Katze), dann ins Hohlkreuz (Kuh). 12 Wiederholungen bringen die Wirbelsäule in Schwung. Geht auch super an einer Infotafel oder Bank.
Wadendehnung: Ein Bein nach hinten, Ferse bleibt am Boden, vorderes Knie beugen. 30 Sekunden pro Seite. Verkürzte Waden ziehen über die Beinrückseite bis zur Lendenwirbelsäule – viele wissen das nicht.
Während der Tour: Pausen clever nutzen
Alle 90 Minuten eine längere Pause einlegen – nicht nur zum Trinken, sondern auch zum Entlasten. Den Rucksack absetzen, flach auf den Rücken legen (funktioniert auf jeder Bergwiese) und beide Knie zur Brust ziehen. 30 Sekunden halten, zweimal wiederholen. Das entlastet die Bandscheiben sofort spürbar.
Bei längeren Aufstiegen hilft die "Pendel-Technik": An einer steilen Passage kurz stoppen, Oberkörper nach vorne beugen, Arme locker hängen lassen und sanft hin und her pendeln. Dauert nur 20 Sekunden, lockert aber die verspannte Rückenmuskulatur.
Nach der Tour: Regeneration für die Wirbelsäule
Hier wird's wichtig. Viele machen den Fehler, nach der Wanderung einfach ins Auto zu steigen oder sich ins Gasthaus zu setzen. Die Muskulatur ist übersäuert, die Bandscheiben zusammengepresst, die Faszien verklebt. Wer jetzt nicht gegensteuert, wacht am nächsten Morgen steif auf.
Stufenlagerung: Klassiker und extrem wirksam. Rückenlage auf dem Boden (zur Not auf der Wiese), Unterschenkel auf einem Stuhl oder einer Bank ablegen, sodass Ober- und Unterschenkel jeweils einen 90-Grad-Winkel bilden. 10 Minuten in dieser Position entspannen die Lendenwirbelsäule komplett. Viele Berghütten haben dafür sogar eigene Ruheräume.
Knie-Twist: Rückenlage, beide Knie angewinkelt zur Seite kippen lassen, Schultern bleiben am Boden. 60 Sekunden pro Seite. Mobilisiert die Brustwirbelsäule und löst Verspannungen zwischen den Schulterblättern.
Faszienrolle: Wer eine dabei hat (gibt's in Kompaktversion für 15 Euro), rollt nach der Tour den gesamten Rücken durch. Besonders die Stelle zwischen Schulterblatt und Wirbelsäule profitiert. Langsam rollen, an schmerzhaften Punkten 20 Sekunden verweilen.
Kindshaltung: Aus dem Vierfüßlerstand das Gesäß auf die Fersen setzen, Oberkörper nach vorne, Arme ausgestreckt. 2 Minuten in dieser Position dehnen die komplette Rückenstreckmuskulatur. Geht sogar im Hotelzimmer auf dem Teppich.
Hängen: Wenn eine stabile Stange oder ein Ast verfügbar ist – einfach mit beiden Händen greifen und hängen lassen. 30-60 Sekunden. Die Wirbelsäule dekomprimiert, die Bandscheiben saugen sich wieder voll. Fühlt sich fantastisch an.
Wenn's schon zwickt: Warnsignale ernstnehmen
Nicht jeder Muskelkater ist harmlos. Ziehende Schmerzen, die ins Bein ausstrahlen, Taubheitsgefühle oder Kribbeln in den Füßen sind Warnsignale. Chronische Rückenbeschwerden entwickeln sich oft schleichend – erst als "normale" Ermüdung, dann als hartnäckige Verspannung.
Langfristig: Rumpfstabilität aufbauen
Wer regelmäßig im Allgäu unterwegs ist – ob beim klassischen Urlaub in der Region oder als Einheimischer – profitiert von gezieltem Rückentraining zwischen den Touren. Zweimal pro Woche 20 Minuten Rumpfstabilität reichen aus.
Planks (Unterarmstütz) für 3x 45 Sekunden, Seitstütz je Seite 3x 30 Sekunden und Rückenstrecken (Bauchlage, Arme und Beine leicht anheben) für 3x 15 Wiederholungen sind das Minimum. Klingt nach Fitnessstudio-Programm, macht aber den Unterschied zwischen mühsamen und mühelosen Bergtouren.
Ein 58-jähriger Stammgast aus Oberstdorf schwört darauf: "Seit ich zweimal die Woche diese Übungen mache, schaffe ich auch längere Touren ohne Probleme. Vorher musste ich nach jeder anständigen Wanderung zum Masseur."
Die schönsten Gipfel im Allgäu warten – mit einem starken, beweglichen Rücken macht jede Tour doppelt so viel Spaß.
10.10.2025